Im Faltkanadier unterwegs in Lappland, Sarek Nationalpark - ALLY Reisebericht

 

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Seit drei Tagen fuhren Christiane und ich mit unserem Auto quer durch Schweden in Richtung Norden nach Lappland. Unser Ziel war das Rappadalen im Sarek-Nationalpark. Wir kannten den Sarek schon von früheren Wanderungen her und wollten diesmal mit einem Faltboot zur Grenze des Nationalparks vordringen, um danach zu Fuß die Wildnis zu erkunden. Die am weitesten führende Straße endet zwischen Jokkmokk und Kvikkjokk am Stausee Tjaktjajaure. Von dort hat man den einfachsten Zugang.

Nachdem wir den berühmten Inlandsvägen (R 45) verlassen hatten, war die Straße nach Tjåmotis die nächste Herausforderung für unseren verweichlichten Großstadtwagen. Die Fahrgeräusche kündeten immer häufiger von intensiven Bodenberührungen. Nach mehr als 1200km quer durchs Land, die Schweden messen solche Entfernungen verniedlichend als 120 Meilen, waren es auf dieser zugewucherten Schlaglochpiste nur noch wenige Kilometer. Ein Katzensprung. Der Wagen ertrug die Strapazen und dann war es soweit: Die Staumauer des Tjaktjajaure lag vor uns. Hier sammelte sich all das Sarek-Wasser, das in so atemberaubender Schönheit durchs Delta des Rappaälven geflossen war. Spiegelglatt präsentierte sich die gleißende Wasseroberfläche des Sees und wartete nur darauf, von der Bugwelle unseres Bootes geräuschlos zerteilt zu werden. Es war Anfang August, die Luft stand vor Hitze - und schon rissen uns Heerscharen gieriger Blutsauger jäh aus unserer Vorfreude. Wo war das Dschungelöl? Auf dem Weg nach Norden hatte sich schon bei jeder Erholungspause die Zahl der angreifenden Mücken mindestens verdreifacht, das grüne Fläschchen mit dem Wundermittel war immer wichtiger geworden und deshalb schon seit Tagen immer griffbereit. Dachte ich. Aber jetzt hatte ich meine Jeans gegen die Trekkinghose getauscht, leere Taschen! Ein Anflug von Panik machte sich in mir breit. "Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren" schoß es mir durch den Kopf, doch schon streckte mir Christiane lachend ihre Flasche entgegen und verhinderte einen Nervenzusammenbruch. So konnten wir in aller Ruhe mit dem Bootsaufbau beginnen.

Kaum auf dem Wasser, waren bereits die ersten Sarek-Berge zu sehen. Plötzlich war in der Ferne ein bedrohliches Grummeln zu vernehmen. Rechts türmte sich eine schwarze Wolkenwand auf. Ausgerechnet jetzt, mitten auf dem See! Das nächstgelegene Ufer war mittlerweile schon mindestens eine halbe Stunde entfernt, der Wind kam diagonal von rechts vorne. Was tun? Zum Glück erübrigte sich die Frage recht schnell, denn das Unwetter suchte das benachbarte Tal heim. So bot sich uns ein einmaliges Naturschauspiel aus sicherer Entfernung. Für diese Inszenierung hatten wir den besten Logenplatz ergattert. Sonnenlicht, Regenbögen und Blitze warteten mit dramatischen Einlagen auf. Doch so schnell wie es kam, verschwand das Unwetter wieder, es blieben Wind und Wellen. Irgendwann erreichten wir das andere Ufer an der Mündung des Kuolleluopal, der natürlichen Wasserverbindung zwischen dem Tjaktjajaure und dem höher gelegenen Laitaure im Rappadalen. Hier bauten wir unser Lager auf.

Wir mußten am nächsten Morgen, um den Laitaure zu erreichen, zunächst an den Stromschnellen des Kuolleluopal unseren Kanadier samt Gepäck flußaufwärts umtragen. Zum Glück gab es eine schmale Schotterpiste (für PKW gesperrt) unweit der Stromschnellen. Sie war immerhin so gut, daß wir unseren mitgebrachten Bootswagen zum Transport der gesamten Ausrüstung benutzen konnten. Nach etwa 3 Stunden war alles erledigt und wir konnten das Boot wieder ins Wasser setzen. Das Eingangsportal des Sareks lag stolz und erhaben vor uns, vorne der Nammatj, links der Tjakkeli und rechts der Skierfe an dessen Fuß das Lappendorf Aktse liegt. Das Delta des Rappaälven mündet in einen flachen See (Laitaure) mit unzähligen Inseln in einer canyonartigen Landschaft. Der See mit dem türkisfarbenen Wasser ist an seiner breitesten Stelle 2,5 km breit und unser Ziel, der vor uns liegende Nammatj, war noch knappe 13 km entfernt. Trotz des schneidenden Windes genossen wir es, eine der wohl grandiosesten Landschaften Europas aus der Bootsperspektive kennenzulernen.

Im Laufe der Nacht legte sich der Wind und in der Morgendämmerung herrschte eine überwältigende Stille. Kein Lüftchen regte sich, kein Vogel zwitscherte, es gab nichts, was in dieser gewaltigen Schlucht auch nur das leiseste Geräusch verursachte. Die Wasseroberfläche war zum gigantischen Spiegel geworden. Die Stille war so übermächtig, daß wir es kaum wagten, uns zu bewegen. Aber die kühle Luft trieb uns dann doch zu lebhafter Geschäftigkeit.

Ab hier war jegliche Art von Bootsverkehr verboten, deshalb bauten wir das Boot ab und verstauten alles gut verpackt einige hundert Meter vom Ufer entfernt im Dickicht. Die erste Etappe hatten wir damit beendet. Das herrliche Sommerwetter lud uns zu einer ausgiebigen Erholungspause am Flußufer ein. Frisch gestärkt begannen wir unsere Wanderung auf dem nicht markierten, aber gut erkennbaren Weg. Der Pfad am Flußufer war zunächst sehr leicht zu laufen, darum erinnerte unsere Wanderung schon eher an einen erholsamen Waldspaziergang. Nach etwa 3 Stunden entdeckten wir einen herrlichen Platz, der uns zum erfrischenden Flußbad und zur Übernachtung willkommen hieß.

Als die Sonne verschwand, wurde es sofort wieder empfindlich kühl. Der nächste Tag machte uns wieder bewußt, daß wir uns im Sarek aufhielten, denn das Wetter war jetzt so unfreundlich, wie man es erwarten konnte: kalt, naß und stürmisch! Der Pfad war zu einem schlammigen Bach geworden, die glitschigen Steine waren nicht mehr zu erkennen und verwandelten sich zu gefährlichen Stolperfallen in der trüben Suppe. Die echten Gebirgsbäche waren mittlerweile durch den starken Regen zu reißenden Strömen angeschwollen. Eine Überquerung eines solchen Baches kann unter Umständen zu einer gefährlichen Unternehmung werden. Anfängern sei geraten, sich vorher mit der richtigen Durchquerungstechnik vertraut zu machen. Die Bäche waren aber nicht nur Hindernisse, sondern wegen des erforderlichen längeren Aufenthalts (neben der ausgiebigen Suche nach einer geeigneten Furt gehörten dazu auch Banalitäten wie Schuhe umziehen, Stiefel am Rucksack befestigen, Kamera wasserdicht einpacken, etc) auch beliebte Begegnungstätten für Sarekwanderer.

Auch wenn man sich sonst allein in der Wildnis wähnte, merkte man hier doch, daß es noch ein paar andere Enthusiasten gab, die den gleichen Urlaubsfreuden frönten wie wir. So hatte man Gelegenheit, ein Schwätzchen zu halten und gleichzeitig verschiedene Bach-Durchquerungstechniken eingehend zu studieren. Abgesehen von ihrer Gefährlichkeit hatten diese Darbietungen durchweg einen respektablen Unterhaltungswert mit einer gewissen humoristischen Note. Und am Ende waren alle Bemühungen stets von souveränem Erfolg gekrönt. Überrascht waren wir, als uns mittendrin fröhlich grüßende schwedische Wanderer entgegenkamen, für die das Wasser offensichtlich nicht naß war. Ohne Vorbereitung stolzierten sie gänzlich unbekümmert mit Stock und Stiefeln einfach so durchs Wasser. Die Schuhe sahen wie ganz normale Wanderschuhe aus.

Was war der Trick? Fassungslos blickten wir ihnen hinterher, in der Hoffnung, das Markenlogo oder irgendeine Besonderheit am Schuh erkennen zu können. Wir vermuteten ein neues, uns unbekanntes High-Tech-Material in den Schuhen. Leider mußten wir uns aber vorerst mit diesem ungelösten Rätsel zufrieden geben. Am Abend richteten wir ausgekühlt und erschöpft unser Nachtlager ein. Jetzt machte es sich bezahlt, das wir unsere Schlafsäcke und Reserve-Kleidung so sorgfältig vor dem vielen Wasser geschützt hatten. Der nächste Tag hatte eine Überraschung parat: ein stattlicher Sarek-Elch mit einem imposanten Geweih stand vor uns. Er graste friedlich stehend im mannshohen Grün und hatte uns offensichtlich überhaupt noch nicht bemerkt. Um so besser, so konnten wir uns unbemerkt heranschleichen und vielleicht das Starfoto der Reise schießen. Gesagt, getan - auf etwa 10m traute ich mich an ihn heran. Als ich den Finger am Auslöser hatte, setzte er sich einfach hin - jetzt waren gerade noch die Geweihspitzen zu sehen.

Noch dichter heran? - Bloß nicht, denn er hatte mich immer noch nicht bemerkt und ich hatte auch kein Interesse, daran etwas zu ändern. Irgendwie war mir dieser Elch nicht wohlgesonnen, denn er dachte nicht daran, noch einmal aufzustehen. Schade. Ein paar Alibifotos von den Geweihspitzen habe ich dann aber doch noch gemacht. Und tatsächlich hob er dabei einmal den Kopf. Also war das ganze Theater doch nicht umsonst. Als alle Sachen wieder im Rucksack verstaut waren, offenbarte sich erst die ganze Komik dieser Situation: Auf der anderen Wegseite, keine 10m entfernt im Gras liegend, beobachtete ein noch viel prächtigerer Elch gelangweilt das ganze Geschehen. Und diesen hätte man schon die ganze Zeit ohne Stativ und ohne Teleobjektiv bildfüllend fotografieren können - wenn man ihn bemerkt hätte! Als unsere Kamera erneut zum Vorschein kam, wurde er argwöhnisch und blähte drohend seine Nüstern auf. Das war's dann - provozieren wollten wir ihn nicht und so suchten wir schleunigst das Weite. Am späten Nachmittag trennte sich der Pfad vom Rappaälven und das Ziel unserer Wanderung, eine Anhöhe auf dem Stuor Skoarkki, rückte in greifbare Nähe. Von der Anhöhe hat man einen phantastischen Blick ins Tal und man kann mit einem Fernglas und etwas Geduld die Tierwelt des Sareks ungestört beobachten.

Wir blieben zwei Tage, in den Abendstunden lieferten eine Elchkuh mit Kalb und drei ungestüme Elchbullen regelmäßig ein erstklassig inszeniertes Spektakel in dieser Traumkulisse ab. Ein völlig durchnäßter und leicht humpelnder Mann kam unterdessen am Zelt vorbei und fragte auf englisch nach dem Weg in Richtung Aktse. Wir ahnten nicht, das wir ihn später noch einmal wiedersehen würden. Den Rückweg absolvierten wir im Dauerregen (hatte er jemals eine Pause gemacht?) als brutalen Gewaltmarsch. Für den Hinweg hatten wir wegen der vielen zeitraubenden Bachquerungen etwa 2½ vergleichsweise gemütliche Tage gebraucht, den Rückweg schafften wir in 8½ Stunden. Was war der Grund? Nun, trotz bester Regenkleidung waren wir schnell vollkommen durchnäßt. Jede Pause bedeutete frieren, also machten wir keine Pause. Die nicht minder reißenden Bäche durchquerten wir jetzt genauso ohne langwierige Vorbereitungen (aber dennoch unter Beachtung der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen) wie die schwedischen Wanderer mit den mutmaßlichen "High-Tech"-Schuhen. Jetzt verstanden wir ihren "Trick". Bei einem so schweren Dauerregen wird die Diskussion, ob Gummi-, Cordura- oder Lederstiefel mit Gore-Tex das Richtige sind, irgendwann sehr theoretisch.

Fakt war, daß es auch uns mittlerweile überhaupt nicht mehr interessierte, ob das eiskalte Wasser in die schweren Schuhe lief, denn die waren sowieso schon voll. Bei Ankunft am Bootsanleger trafen wir unseren abgekämpften Freund vom Vortag wieder. Er hatte überhaupt nichts Trockenes mehr dabei und wir sahen, daß er leichtsinnigerweise auch noch mit Jeans und Wollpullover auf große Tour in den Sarek gegangen war. Sein zusammengebrochenes Billigzelt schleifte er im Dreck hinter sich her. Er machte einen stark unterkühlten, fast schon desorientierten Eindruck. Er ließ sich mit dem rettenden Boot nach Aktse bringen. Als er hörte, daß wir noch eine Nacht bleiben wollten, entfuhr ihm ein entsetztes "you stay in Sarek? - terrible!" - mit deutschem Akzent. Auch wir waren zweifellos sehr naß geworden, aber wir hatten uns rechtzeitig über die Bedingungen im Sarek informiert und Vorsorge getroffen. Aus diesem Grund konnten wir unseren Aufenthalt auch weiterhin unbeschwert genießen. Die Rückfahrt auf dem Rappaälven am letzten Tag ging zügiger voran als die Hinfahrt, denn jetzt fuhren wir mit der Strömung. Als wir uns noch einmal umdrehten, verabschiedete sich das Rappadalen standesgemäß in seiner faszinierenden Schönheit.

Diesmal spannten sich genau über dem Nammatj drei riesige übereinanderliegende Regenbögen. Rechts daneben heizten die kräftigen Sonnenstrahlen die nasse Skierfe-Wand so stark auf, daß weiße Wolken in den Himmel stiegen. Ein wunderschönes Abschiedsbild, das uns schon vom nächsten Sarek-Abenteuer träumen ließ.

Text und Bilder:
Torsten und Christiane Herrmann

   


Ally Kanu Tour in Lappland