Eine
Woche nach der Rückkehr der letzten Sahara-Geiseln
reist ein 39-jähriger Krefelder nach Westafrika
- unter anderem nach Mali. Sein Plan: Er will
allein 4.000 Kilometer den Niger hinunterpaddeln.
Angst vor Geiselnehmern hat er weniger als vor
wilden Tieren.
Mit
einem 17 Kilogramm schweren Faltkanu will
Christoph Tichelkamp ab Donnerstag (28.08.03)
nahezu den kompletten Niger von Guinea nach
Nigeria herabpaddeln. 40 Kilometer jeden
Tag, 115 Tage lang - Weihnachten will der
Abenteurer wieder zu Hause sein. Durch gefährliche
Gegenden, vor denen das Auswärtige
Amt warnt, wird Tichelkamp zwar nicht paddeln,
doch letzte Sicherheit vor Überfällen
oder Entführungen gibt es dennoch nicht.
Dass einige Gebiete in Afrika rechtslos
sind, weiß er. Aber in diese Gebiete
will er nicht fahren. "In Deutschland
kommen jährlich Tausende im Straßenverkehr
um und trotzdem denkt niemand daran, nicht
mehr auf die Straße zu gehen. Man
muss eben versuchen, das vorhandene Restrisiko
zu minimieren", sagt der Abenteurer,
der nichts von einem Draufgänger hat. |
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Bei
einem Überfall von Schwerbewaffneten
würde er geben, was diese verlangen.
"Im Fall einer Entführung, ja...,
dann ist das Auswärtige Amt gefragt",
sagt er. Es sei zwar nicht "fair, furchtbar
viel Hilfe zu erwarten", doch wäre
er persönlich im Falle einer Verschleppung
natürlich froh, wenn Deutschland ihm
helfen würde. Sollte er in einer solchen
Situation sein, dann wäre es ihm als
Opfer "völlig egal", wer
das Geld zahlt, um ihn lebend dort heraus
zu bekommen. Den deutschen Botschaften der
vier Länder, die er bereist, wollte
er kurz vor der Abfahrt mitteilen, was er
vorhat.
"Restrisiko minimieren"
Den
Fluss, den seinen Angaben zufolge noch nie
ein Mensch zuvor allein bewältigt hat,
kennt er bereits teilweise, denn Tichelkamp
fährt mehrmals im Jahr als Reiseleiter
nach Afrika. Vor allem alte Berichte über
Reisen am und auf dem Niger haben ihn vor
fünf Jahren auf die Idee zu dieser
Bootstour durch Guinea, Mali, Niger und
Nigeria gebracht. Er wolle 100 Tage so ähnlich
leben wie die afrikanische Bevölkerung
- ohne Geländewagen und technische
Rückversicherung.
Mehr
Angst als vor Menschen hat Tichelkamp
vor den wilden Tieren, die im Niger leben.
Dass Krokodile sein Boot angreifen, glaubt
er nicht. Flusspferde könnten seiner
Meinung nach schon gefährlicher werden
- mehr als einmal wird er seine Ausrüstung
vermutlich am Ufer entlang tragen, um
ihnen nicht zu nahe zu kommen.
Experten
sehen Gefahren im Niger-Delta
Auch Heinrich Bergstresser, Afrika-Experte
bei der Deutschen Welle, bestätigt,
dass der größte Teil von Tichelkamps
Strecke wenig gefährlich ist. In
den ersten drei Ländern würden
sich vermutlich viele Einheimische über
ihn amüsieren und versuchen, Kontakt
zu ihm zu bekommen. Der Süden Nigerias
ist laut Bergstresser der einzige Abschnitt
auf der Route, auf dem ihm Menschen gefährlich
werden könnte. "Auf dem Gewässer
fahren keine Weißen und seine Reise
wird nicht unbemerkt bleiben", sagt
Bergstresser.
Das
Auswärtige Amt warnt ebenfalls nicht
davor, eine solche Tour zu machen. Doch
es ruft dazu auf, derartige Reisen gründlich
vorzubereiten und sich der möglichen
Probleme bewusst zu sein, die sich ergeben
könnten. Für jedes Land stellt
es im Internet Sicherheitshinweise zusammen.
Im Notfall sollte man sich an die jeweilige
Botschaft wenden.
Familie
sorgt sich
Tichelkamps Freundin Mirela und seine
Familie sind skeptisch über die Pläne.
"Ich halte die Geschichte schon für
riskant werde die nächsten 115 Tage
in einer gewissen Sorge verbringen",
sagt Bruder Dominik, der es lieber gesehen
hätte, wenn sein Bruder nicht allein
fahren würde.
Doch
versucht, ihn von der Tour abzubringen,
haben sie nicht. Im Gegenteil: Mit jedem
Weihnachts- und Geburtstagsfest wuchs
seine Ausrüstung. "Die ganze
Familie ist zwar dagegen, aber hat mich
in jeder Hinsicht unterstützt",
sagt Christoph Tichelkamp.
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Der
Weiße mit dem Kanu zog Blicke auf
sich
Christoph Tichelkampkehrt nach drei
Monaten Bootstour auf dem Niger zurück.
Allein paddelte er im Kanu den Niger hinab.
ALLY.ch erzählt er von seinen Erlebnissen.
Neun Liter Wasser auf 45 Kilometer - das
sind nicht die Verbrauchswerte eines High-Tech-Autos,
sondern von Christoph Tichelkamp aus Krefeld,
der drei Monate lang allein auf dem Niger
unterwegs war. Jeden Tag ist er acht bis
neun Stunden gepaddelt. 99 Tage lang,
insgesamt 3.650 Kilometer bei Mittagstemperaturen
zwischen 35 und 50 Grad Celsius. Am 6.
Dezember hatte er den Niger zwischen Faranah
(Guinea) und Onitsha (Nigeria) mit seinem
Faltkanu bewältigt. "Körperlich
war es richtig anstrengend. Allmählich
verschwinden die Spuren wieder. Die Blasen
an den Händen sind verheilt",
sagt er. Doch die Schmerzen in den Schulter-
und Fingergelenken verschwinden nur langsam.
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Froh
ist er, dass er nicht durch den Süden
Nigerias gefahren ist, denn dort werden
regelmäßig Weiße entführt.
Im Nachhinein bezeichnet Tichelkamp Nigeria
dennoch als das gastfreundlichste der vier
Länder, die er bereist hat. Wie auch
in Guinea, Mali und Niger kamen auch dort
regelmäßig Menschen auf ihn zu,
um ihm Lebensmittel zu schenken, ihn zu
begrüßen. Oder einfach Neugierige,
die ihm stundenlang zuschauten, wie er sein
Zelt aufbaute - auch Frauen und Kinder,
die Angst vor ihm hatten, weil sie im Leben
noch keinen weißen Menschen gesehen
hatten. Manchmal hätte er sich mehr
Einsamkeit gewünscht: "Was ich
auf der Reise am meisten vermisst habe,
sind Privatsphäre und Intimsphäre",
sagt er. Toilettengänge erledigte er
am liebsten eine Stunde vor Sonnenaufgang,
"denn eine halbe Stunde später
waren sie alle wieder da, um mich zu beobachten".
Schöne
Landschaft, aber wenige Tiere
Dennoch berichtet er begeistert von seiner
Reise. Er hat interessante Städte
und schöne Landschaften gesehen.
Was die Hygiene angeht, so wurde Tichelkamp
im Laufe der Zeit anspruchsloser - badete
im Niger, auch wenn unangenehmer Dreck
an ihm vorbeischwamm.
Besonders
anstrengend war die Paddelei in Mali bei
Gegenwind, berichtet er. "Im Norden
hat der Fluss ein ganz geringes Gefälle
und wenn Gegenwind ist, dann dreht sich
die Strömung einfach um", sagt
Tichelkamp. Auch die Stromschnellen hinterließen
bei ihm ein mulmiges Gefühl. "Wenn
man da ins Wasser fällt, kommt man
da nicht wieder heraus und da hilft einem
auch niemand, weil da sonst keiner fährt",
berichtet Tichelkamp. Bereits am fünften
Tag seiner Reise schlug sein Kanu leck
als er in eine Stromschnelle geraten war.
Doch das war halb so wild, das Loch konnte
er schnell flicken.
Gefährlich
wurde es für ihn nur einmal, als
er versehentlich einem Flusspferd zu nahe
kam, das er nicht rechtzeitig entdeckt
hatte. "Wäre ich näher
herangekommen, hätte es sich sicherlich
bedroht gefühlt", sagt er heute.
Ein bisschen enttäuscht ist Tichelkamp,
weil er kein Krokodil und lediglich 18
Flusspferde in während der Reise
gesichtet hat.
Das
Kanu hat erst einmal Pause
Seine Familie und seine Freundin freuen
sich, dass er nach drei Monaten wohlbehalten
wieder in Deutschland angekommen ist.
"Meine Familie sagt, es gibt nichts
mehr an Outdoor-Ausrüstung zu Weihnachten
und im nächsten Jahr bleibst du zuhause",
erzählt Tichelkamp. Doch so ganz
möchte er sich nicht daran halten
- zumindest einer seiner Trips als Reiseleiter
nach Südafrika steht bereits auf
dem Programm für kommenden Januar.
"Aber was das Bootsfahren angeht,
da könnte ich mir vorstellen, mit
der Köln-Düsseldorfer in Luxuskabinen
den Rhein hinunter zu fahren ", sagt
er schmunzelnd. Nachts träumt er
noch häufig vom Paddeln, tagsüber
davon, über seine Reise ein Buch
zu schreiben.
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