Paddler Bericht: mit dem Ally Kanu auf dem Spanish River in Ontario, Kanada

 

KANU TRIPS

im Faltkanadier auf der Aare
Auf der Aare von Thun nach Bern

Interview mit Helle Wiese
Ein Ally Urgestein erzählt aus seinem Kanu Leben.

Meklenburger Seenplatte
Ungewönliche Reise mit Velo, Faltkanu und Anhänger.

Die lange Donau
Wieviel kostet die Freiheit ? Eine Reise vom Schwarzwald ans Schwarze Meer

Rogen
Fantastische Kanutour in Schweden und Norwegen

Die Wildniss Lapplands
Paddeln bis zur Grenze der Welt, dann zu Fuss weiter.

Freestyle
Ballett auf einem spiegelglatten See

Flussreise in Afrika
eindrückliche Kanufahrt in Mali auf dem Fluss Niger mit Tramp 16,5

4000 Km auf dem Niger
3 monatiges Paddelerlebnis in Afrika

Yukon Teritorry
Sie suchten das Abenteuer auf dem Snake River

Alaska
Gletscher, Lachse und Seehunde. Ein erfüllter Traum auf dem Prince William Sound

Spanish River in Ontario Von Bären, Geiern, Stromschnellen, Portagen und herbstliche Farbenpracht

Alaska, Notak River
Mit der Famile unterwegs in der Wildnis

 

Im Norden Ontarios 600 km nordwestlich von Toronto fließt der Spanish River eingerahmt von "Rolling Hills" und spektakulären Felsen durch eine besonders vielfältige Landschaft und mündet in einen der größten Süßwasserseen der Welt, den Lake Huron.

Um Mitternacht werden wir auf einer einsamen Forststraße am Duke Lake abgesetzt. Kurz darauf entschwinden die Rücklichter des Autos in die Dunkelheit. Nun gilt es zuerst, das Zelt aufzubauen und die Essensvorräte bärensicher aufzuhängen. Der Zeltaufbau ist Routine aber das Aufhängen der Vorräte erweist sich im Schein der Taschenlampe als zeit- und nerven raubende Angelegenheit. Vier Meter über dem Boden sollten die Taschen hängen. Mit der Funzel ist es schon schwierig, zwei geeignete Bäume mit ausreichend starken Ästen zu finden. Das Seil mit dem Stein verfehlt dann entweder den passenden Ast oder bleibt in einem Nest aus filzigen Zweigen stecken. "Sch.", ein Fluch liegt auf meinen Lippen. Das Seil muss sicher sitzen, denn 20 Kilo müssen "versteckt" werden. Irgendwann später kriechen wir ins Zelt. Das kleine Abenteuer beginnt.

Schon immer war es ein Traum von uns, einmal mit dem Kanu in die Wildnis Kanadas einzutauchen, nachts ein Rudel Wölfe heulen zu hören oder einem Bären gegenüberzustehen. Ein abenteuerlicher Fluss mit leichtem Wildwasser und einer im wahrsten Sinne des Wortes "erträglichen" Anzahl an Portagen war schnell gefunden: der Spanish River. Im Norden Ontarios 600 km nordwestlich von Toronto fließt er eingerahmt von "Rolling Hills" und spektakulären Felsen durch eine besonders vielfältige Landschaft und mündet in einen der größten Süßwasserseen der Welt, den Lake Huron. Mit dem Finger auf der Karte und der Nase im Internet entdeckten wir Namen wie: Graveyard Rapids, Eagle Rock oder Expanse Lake und lasen von Felszeichnungen der indianischen Ureinwohner. Damit war unsere Entscheidung gefallen, denn ein familiärer Pflichtbesuch in Toronto stand sowieso auf der Tagesordnung. Die eigentlich befahrbare Strecke erstreckt sich über 145 km zwischen Duke Lake und Agnew Lake. Ein 1920 erbauter Staudamm, der der Stromgewinnung dient, verhindert die Weiterfahrt zum Lake Huron. Im Oberlauf beginnt der Ostarm des "Spanish" als kleiner Fluss und verbindet eine Kette von länglichen Seen, die von ihren Entdeckern stromauf kommend nummeriert und benannt worden sind. Im Anschluss an die Seen vereinigt sich der Ostarm mit dem wasserreichen Westarm. Schwallstellen steigern sich von nun an langsam zu Wildwasserabschnitten bis zum vierten Grad. Daher ist der Spanish im Hochsommer ein beliebter Fluss für geführte Touren mit Wildwasseranfängern. Doch warum heißt ein Fluss mitten im Herzland Kanadas ausgerechnet spanischer Fluss? Dazu gibt es die folgende Vermutung: Eine schöne Spanierin hatte das Pech vom Häuptling eines Indianerstammes als Sklavin eingetauscht zu werden. Sie lebte sich im Stamm ein und wurde seine Frau. Ihre Kinder lernten auch ihre Muttersprache. Als später französische Entdecker mit Erstaunen Indianer trafen, die Spanisch sprachen, nanntesie den Fluss Espanola. Im englischen ist daraus Spanish River geworden. Gegen den Wind........ Im mystischen Licht der ersten Sonnenstrahlen geht das Aufbauen unsers Ally Kanus wie geschmiert. Nur der Berg aus Taschen, Tonnen und Rucksäcken macht uns Sorgen. Allerdings verschwindet er später erstaunlich klaglos unter der Spritzdecke und wir sind zum Start bereit. Ein strammer Südwind vertreibt die letzten Wolkenfetzen und bringt strahlenden Sonnenschein. Beim Paddeln müssen wir uns sogleich ins Zeug legen. Die Ufer des Duke Lakes und der anderen Seen bieten keinen Windschutz. Viel eher bilden sie einen Windkanal, da sie genau in Nord - Südrichtung verlaufen. Wenigstens können wir an den Ufern unsere Geschwindigkeit ablesen. Bei durchschnittlich 4 bis 5 Windstärken kriechen wir vorwärts wie die Schnecken. Öfters werden wir von heftigen Windböen sogar rückwärts geblasen. Ein Fischotter rutscht bei unserem Anblick bäuchlings wie ein geölter Blitz ins Wasser. Während einer Paddelpause finden wir an einem schönen Lagerplatz Bärenspuren im Sand zwischen menschlichen Fußabdrücken. Wir fragen uns: "Hat sich da jemand einen Spaß erlaubt, oder hat der Bär das Camp nach Hinterlassenschaften abgesucht?" Später passieren wir die Felszeichnungen der Archirigovans, der zum Stamme der Ojibway gehörenden Indianer. Sie sind nur vom Wasser aus auf einem Kliff auf der östlichen Seite des neunten Sees zu bewundern. Leider meinten einige Schmierfinken sich hier mit Graffiti ebenfalls verewigen zu müssen. Nach siebenstündiger Paddelei haben wir nur 15 km zurückgelegt. Belohnt werden wir mit einem Übernachtungsplatz am Eingang des "Fifth Lakes" unter hohen Kiefern und Fichten mit Blick auf See und Fluss. Am Spanish River mischen sich die südlichen Laubwälder mit den nördlichen borealen Nadelwäldern. Daher ist die Landschaft besonders artenreich und bietet Lebensraum für Luchs , Schwarzbär , Timberwolf, Fischotter, Biber, Fischadler oder die Barred Owel mit ihrem nächtlichen "Who cooooks for yooouuu?". Sie sind nur die "sexy Spezies" unter einer Vielzahl an kleineren und weniger bekannten Tieren, die sich hier beobachten lassen. Bombardement aus den Baumwipfeln.

Am nächsten Morgen wecken uns dumpfe Geräusche. Natürlich schießen uns im Halbschlaf zuerst Bilder von hungrigen Bären durch den Kopf. Nach einigen Sekunden stellen wir jedoch fest, dass stattdessen ständig etwas Hartes auf den Boden fällt. Wir werden bombardiert! Ein Chipmunk (Steifenhörnchen) ist der Übeltäter. Der lustige Geselle hat damit begonnen sein Frühstück in Form von Fichten- und Kiefernzapfen nach unten zu werfen, sporadisch begleitet von lautem Gezeter. Vermutlich bei besonders guten Treffern. Eine Prozedur, die auch den Verwandten unseres kleinen Freundes auf den meisten anderen Übernachtungsplätzen in der Morgendämmerung besonders gefallen sollte. Dank unseres unfreiwilligen Weckers sind wir früh unterwegs und bewundern Reste der letzten großen Strobenwälder (Strobe = eine in Kanada "White Pine" genannte fünfnadelige Kiefernart) an den Ufern der Seen. Sie sind wegen ihres guten Holzes im restlichen Nordamerika fast verschwunden. Riesige Stroben erheben sich über Birken, Fichten, Ahorne, Erlen, Kirschen und Pappeln, wie Eltern über ihre Kinder. Großenteils befinden sich die Bäume schon in den buntesten Herbstfarben. Unzählbar viele Schattierungen von Gelb, einige rote und orange Flecken, sowie das Grün der Nadelbäume bilden eine Tolle Komposition. Gekrönt wird das ganze von wettergrau gegerbten toten Stämmen, die aus dem Dach des Waldes ragen. Das ist nicht unbedingt ein Zeichen von Waldsterben, wie so mancher vermuten mag, denn 10 bis 20 % Totholz sind natürlich für das Ökosystem Wald. Die kanalartigen Verbindungen zwischen den Seen führen wenig Wasser und erweisen sich regelmäßig als Winddüsen. Die ersten richtigen Schnellen treideln wir auf Grund der geringen Wassertiefe und dem empfindlichen Boden unseres Faltbootes. Gleich darauf rauschen wir die ca. 1,5 km langen und gut einsehbaren "Driveroad Rapids" herunter, bis der Fluss an einer Felswand einen scharfen Bogen macht. Wir Erkunden die Stelle und finden ein zerknautschtes Aluminiumboot hoch auf dem Flussufer. Ein Indiz für die Gewalt des Wassers Frühjahr. Jetzt jedoch ist die Durchfahrt durch viele Steine im ersten Drittel blockiert und wir treideln das Boot auf der Innenkurve. Den Rest der Schnelle schaffen wir im Boot ohne Grundberührung. Bären lieben Fisch.

Der "Expanse Lake" ist der größte See der Kette. Die Felsen an seinem Ufer sind zu verlockend, um einfach an ihnen vorbei zu fahren. Wir erklimmen einen Felsen über dem See und sind fasziniert von dem atemberaubenden Blick auf die umgebenden Berge. Auf halber Seelänge haben wir auf der Karte einen Übernachtungsplatz entdeckt, den wir nun ansteuern, als am Ufer ein dickes, sich bewegendes Etwas auftaucht. Ein Schwarzbär! Als dieser uns erspäht, ist er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt im Gebüsch verschwunden. Gern hätten wir ihn etwas näher vom sicheren Kanu aus beobachtet. Fast lautlos bewegen wir uns mit Indianerschlägen auf die Stelle zu, an der der Bär verschwunden ist. Gleichzeitig suche ich nach der Kamera. Gespannt kommen wir langsam näher und tatsächlich!, wir werden für unsere Geduld belohnt. Ein stummes "whooooow" gleitet über unsere Lippen. Zögerlich kommt der Bär wieder hervor und versucht Witterung zu bekommen. Der Wind allerdings weht aus seiner Richtung. Eine geruchliche Identifizierung der Eindringlinge wird ihm damit unmöglich gemacht. Uns gelingen derweil einige Beweisfotos. In solchen Momenten ärgere ich mich oft, nicht ein Objektiv mit längerer Brennweite zu besitzen. Dann trollt sich der Bär ins Gebüsch. Erst jetzt bemerken wir zwei weitere, kleinere Fellknäule, die gut getarnt die ganze Zeit im Gebüsch gestanden haben müssen. Sie folgen ihrer Mutter. Wir beschließen den nächsten Campplatz anzufahren. Etwa 1,5 km weiter, glücklicherweise auf der anderen Seite des Sees, schlagen wir unser Lager auf. Prompt bemerken wir, dass ein starker Fischgeruch in der Luft hängt. Am Ufer und über das Lager verteilt finden wir die Überreste einer Gruppe von Fischern: dutzende Hechte und andere Fischkadaver. Es ist schon fast dunkel. Einen anderen Platz zu finden, ist nicht mehr möglich. Bären lieben Fisch. Bären haben wir gerade gesehen. Also säubern und schrubben wir das Ufer und die Feuerstelle und versenken alles tief im See

Kein Lüftchen regt sich und kein Geräusch dringt an unsere Ohren. Unsere Herzen sind gefüllt mit den Erlebnissen des Tages. Sie zu verarbeiten bleibt unseren Träumen vorbehalten. Nach den "Kingfisher Swifts" treffen sich der West und der Ostarm des Spanish Rivers bei "The Forks". Im Oberlauf des Westarms lebte und wirkte im frühen 19 Jahrhundert der als einer der ersten Umweltschützer bekannte Schriftsteller Wa-sha-quon-asin oder Grey Owl. Er setzte sich für die Erhaltung der Biber ein, die sich auf Grund der intensiven Fallenstellerei bereits am Rande des Aussterbens befanden. Nur wenige wussten bis zu seinem Tode, dass er kein nativer Indianer, sondern der Engländer Archey Belaney war. Biber und ihre Burgen finden sich heute wieder alle paar hundert Meter entlang des Flusses. Die Wassermenge verdreifacht sich von nun an und sorgt für gute Wasserstände in den Stromschnellen. Außerdem trifft eine Bahnlinie hier auf den Fluss und folgt ihm in mehr oder minder großen Abstand für etwa 20 km. Die Athlone Rapids machen eine erste richtige Portage von 400 Metern nötig. Im Regen schleppen wir das ganze Geraffel durch den Wald und sind froh als wir den zweiten Teil der Rapids befahren können. Eine weitere 400 Meter lange Portage wurde uns erspart. Nach einigen kleinern Schnellen und Swifts gelangen wir zum Bahnhof Sheahan: ein Schild, ein paar klapprige Holzbuden und ein Haus, mehr nicht. Keine Seele ist zu erspähen. Unser nächster Lagerplatz ist ganz in der Nähe der Bahnlinie. Wir befürchten eine schrecklich laute Nacht. Doch hören wir nicht einen einzigen Zug. Stattdessen weckt uns Nachts ein lautes Knacken im Unterholz. Eigentlich gibt es dafür nur zwei Erklärungen: Bär oder Elch. Zuerst leuchten wir nach den Essensvorräten im Geäst. Jetzt macht sich der Reflektor unser wasserdichten Fahrradtaschen ungewollt nützlich. Sie signalisieren: " Alles OK". Trotzdem entschließen wir uns dafür eine Runde zu singen, da wir zu faul sind uns aus den Schlafsäcken zu pellen. Das Ständchen zu nächtlicher Stunde muss den "Bären" fürchterlich erschreckt haben, denn er lässt sich nicht mehr blicken respektive hören. Zweck erfüllt, Schlaf gewonnen. Gäbe es in Kanadas Fernsehen die Sendung: Kanada sucht den Superbärenschreck würden wir sicher für die Endrunde nominiert werden.

Ein perfekter Übernachtungsplatz Der nächste Tag begrüßt uns mit ausdauernden Regenschauern. Die Spritzdecke unseres Kanus bewährt sich bei solchem Wetter, da man relativ trocken fast wie im Kajak sitzt. Nach den Cliff Rapids, die wie ihr Name vermuten lässt, eine Felswand passieren aber leicht zu befahren sind, verzweigt sich der Spanish River in unzählige Arme. Wir müssen uns konzentrieren, um bei den vielen kleinen und großen Kiesbänken nicht plötzlich auf dem Trockenen zu sitzen. Oft haben wir das Gefühl, dass der Boden unseres Faltkanadiers nur Millimeter über die Kiesel hinweg schrammt. Glücklicherweise ist der Wasserstand meist gerade ausreichend und die Kiesel abgerundet. Bald schon erreichen wir den "Spanish Lake". Ein perfekter Übernachtungsplatz an seinem Nordende lädt uns zu ungewöhnlich früher Tageszeit zum lagern ein. Die typischen Granitfelsen des kanadischen Schildes bilden hier die Unterlage für das Zelt. Sogar die Sonne meint es gut mit uns und beschert uns einen wunderschönen Abend am wärmenden Lagerfeuerchen. Stichlinge knabbern die restlichen Hautschuppen einer gründlichen Waschaktion. Biber und Bisamratten schwimmen im Sonnenuntergang geschäftig umher. Eine Eule jagt eine kleine Ewigkeit lang nach Mäusen auf einer länglichen mit Wasserschachtelhalm umrandeten Insel. Zu allem Überfluss zieht ein Fischadler seine Bahnen den Konturen des Ufers folgend. Ein perfekter Abend geht zu Ende. Die "Graveyard Rapids".

Anderntags treffen wir beim Aufbrechen auf die einzigen menschlichen Wesen der gesamten Tour. Sie fahren von ihrer kleinen Hütte am Ende des Sees aus mit einem Motorboot zum Fischen und winken freundlich herüber. Wir sind ein wenig aufgeregt, denn heute stehen die Graveyard Rapids" (Friedhofs Schnellen) auf dem Programm die sich in fünf verschiedene Wildwasserabschnitte unterteilen. Am Ende des 19 Jahrhundert begann auch hier das Treiben der Holzfäller. Besonders begehrt waren die geraden Stämme der "White Pines" für den Schiffbau. Der Abtransport des Holzes erfolgte mit den Frühjahrshochwassern. Häufig verkeilten sich Stämme im Fluß und die Flößer mussten mit langen Holzstangen bewaffnet diese Logjams (Holzstaus) auflösen. Eine äußerst gefährliche Arbeit, bei denen einige ihr Leben in den Schnellen ließen. Das wollen wir natürlich nicht. Vorsichtig fahren wir an die Stromschnellen heran und besichtigen von der rechten Uferseite erst einmal die Lage. Der erste Set sieht eigentlich fahrbar aus, da wir aber nicht kentern und in die nahen Fälle getrieben werden wollen, wählen wir die konservative Variante. Wir treideln einen Teil und fahren dann bis in die Nähe der Fälle der "Little Graveyards". Auch hier konnten wir mit Vorsicht und Geschick den größten Teil sicher Treideln was die Portage von einigen hundert auf 20 Meter direkt an den schäumenden Wasserfällen schrumpfen lässt. Richtig Spaß macht der nächste Schwall mit größeren Wellen aber klarer Linie. Nach einem kurzen Abschnitt trägen Zahmwassers folgt dann "Big Graveyards". Die beeindruckenden Fälle müssen linkerhand über 100 Meter umtragen werden. Das Schauspiel genießen wir vom Ufer aus bevor wir den letzten kleinen Fall auf 10 m rechts umtragen. "Geschafft!", bei diesen Wasserständen waren die "Graveyards" nicht so schlimm wie ihr Name vermuten lässt! Da wir noch Energie und Zeit haben, nehmen wir anschließend auch noch die Agnes Rapids in Augenschein. Ein breites Meer aus Steinen, das unserem Bootsboden arg schaden würde. Daher treideln wir auf der linken Flussseite über einige hundert Meter. Besondere Vorsicht ist geboten, da hier allerlei metallische und hölzerne Überbleibsel aus den letzten Holzfällertätigkeiten der 50 Jahre dieses Jahrhunderts zu sehen sind. Erschöpft vom Schleppen und Treideln finden wir bald einen unglaublich tollen Übernachtungsplatz. Er befindet sich etwa 5 Meter hoch auf einem Felsen über dem Fluss. Sein einziger Nachteil ist es, dass man die ganze Ausrüstung steil nach Oben tragen muss. Die Belohnung aber wartet schon mit einem Überblick auf den breiten, fast stromartigen Fluss. In der Ferne hört man die Stromschellen rauschen. Als wir nach einer kalten Nacht aufwachen, in der wir das erste Mal die Schlafsäcke schließen mussten, ist die Umgebung in dicken Nebel gehüllt. Während wir mit den Aufräumarbeiten beschäftigt sind, beginnen sich die Nebelschwaden aufzulösen. Einzelne Nebelsäulen verändern ständig ihre Form. Sie recken sich und schrumpfen gleich darauf, oder treiben wie Zwergenwindhosen in Fließrichtung langsam über den Fluss bevor sie in sich zusammenfallen und sich gänzlich auflösen. Ein königlicher Ritt.

Wieder früh auf dem Fluss treffen wir bald auf die langen Cedar Rapids: eine schäumende und kurvige Angelegenheit. Die großen Steine und hohen stehenden Wellen im Anfangsdrittel sind nach eingehender Betrachtung der Szenerie aber mit einigen Ziehschlägen und Hebeln sicher zu umgehen. Der Rest ist purer, spritziger Spaß mit technischen Manövern an Steinen vorbei. Was nun folgt wird in der Literatur als "the royal ride to the wakonassin delta" beschrieben. Ein königlicher, Kilometer langer Ritt über eine Unzahl von leichten Stromschnellen bis zur Mündung des Wakonassin River in den Spanish. Und tatsächlich, die Beschreibung ist treffend , denn wir reiten unser "Gummiboot" in atemberaubender Geschwindigkeit, dass die Kilometer nur so schmelzen. Bei niedrigem Wasserstand allerdings ist ein häufiges aufsetzen des Bootes wahrscheinlich und wird den Spaß wohl etwas mildern. Das Delta selbst verdient seinen Namen, denn einige flache Inseln machen es schwer zu unterscheiden in welchem Fluss man sich befindet. Auf der Uferböschung entdecken wir einen Lagerplatz mit Blick über das gesamte Delta. Die Aussicht ist wie geschaffen für die Beobachtung von Elchen. Leider lässt sich am Abend kein einziger Elch blicken. Wölfe.

Ein ausdauernder Landregen regt am nächsten Morgen nicht gerade zum Aufstehen an. Stunden später nutzen wir dann die erste Regenpause zum Aufbruch. Kaum sind wir auf dem Wasser legt der Regen wieder los: "volle Kanne". Trotz Gortex -Jacke und Spritzdecke fühlen wir uns nach einer kurzen Paddelstrecke muffelig feucht und schlagen in Sichtweite des "Eagle Rock" erneut unser Lager auf. Der "Adler Felsen" ist für den Stamm der Ojibway Indianer ein heiliger Ort. In seiner Umgebung lebten schon vor 7000 Jahren ihre Vorfahren, wie archäologische Funde beweisen. In strömenden Regen versuchen wir ein Feuer zu entfachen. Das Feuerzeug ist nass geworden. Also testen wir die teuer erstandenen wasserfesten Streichhölzer. Eine echte Enttäuschung. Der Streichholzkopf scheint eher feuerfest denn wasserfest zu sein. Selbst zu einem späteren Zeitpunkt bei trockenem Wetter lassen sich diese Hölzer nicht entzünden. Zum glück haben wir noch eine Filmdose gefüllt mit normalen Streichhölzern, die zuverlässig funktionieren. Regen hämmert nachts wagerecht gegen unser gutes altes Zelt. Der Wind rüttelt daran wie mit einer großen Hand. Aber im Schlafsack bleibt es gemütlich warm. Mitten in der Nacht werde ich plötzlich durch ein vielstimmiges Geheule geweckt. Nach kurzem zögern wecke ich Hao und sage :"Das ist nicht der Wind, das sind Wölfe!" Ziemlich verschlafen dreinblickend dauert es eine Weile, bis die gesagten Worte zu Ihr durchsickern. Dann lauschen wir gemeinsam fasziniert eine Zeit lang dem vielstimmigen Wolfschor. Ihren Standort vermuten wir auf einem der Hügel in der Nähe, da sie trotz des Wettergetöses deutlich zu vernehmen sind. Als wir am Morgen aufwachen sind Wind und Regen verschwunden, die Wölfe leider auch. Über den felsenreichen Agnew Lake sind es dann nur noch ein paar Kilometer bis zur gleichnamigen Lodge. Dort übernachten wir , trocknen unsere Sachen und warten auf unser Autoshuttle aus Toronto durstig nach weiteren Taten. Wir freuen uns schon auf den nächsten Familienbesuch in Kanada! Charakter der Tour.

Trotz zweier Ausstiegsmöglichkeiten im Flussverlauf handelt es sich hier um einen Wildnisfluss. Bei Notfällen kann Hilfe Tage weit entfernt sein. Komplette Selbstversorgung für 7 bis 10 Tage ist nötig. Eine gewisse Wildwassererfahrung bis zum zweiten Grad ist dringend zu empfehlen, da nicht alle leichten Stromschnellen umtragen werden können. Schwerere Wildwasserabschnitte haben alle Portagen. Man muss in der Lage sein ein Kanu mittels Seilfähre jederzeit vor Hindernissen wie Wasserfällen stoppen zu können. Blutigen Anfängern ist diese Tour nicht zu empfehlen! Sie sollten sich lieber einem kommerziellen Anbieter anschließen, die in den Sommermonaten geführte Touren anbieten. Derart geführt ist der Fluss ein perfektrer Platz für Wildwasseranfänger, denn die Schwierigkeitsgrade steigern sich langsam und gipfeln in den Graveyard Rapids. Alle Stromschnellen vorher erkunden ! Beste Zeit.

Hohe Wasserstände erhöhen im Mai, Juni die Schwierigkeitsgrade der Schnellen wesentlich, wie einige Bootwracks unterwegs zeigen. Nur für Experten. Im Hochsommer ist der Spanish ein beliebter Wildwasserwanderfluss mit vielen Mücken aber moderaten Wasserständen. Weniger Mücken und niedrigere Wasserstände aber auch kaum Menschen findet man im September. Nach trockenen Sommern kann der Wasserstand auf einigen Abschnitten ein ständiges Aussteigen und ziehen des Kanus nötig machen. Vorher nachfragen im Internetforum von Canadian Canoe Routes: www.myccr.ca. Temperaturen entsprechen zu dieser Zeit im Wesentlichen denen Deutschlands. Das Wasser hatte bei uns Mitte September noch Badetemperatur. Aber Vorsicht: In den Seen gibt es eine Unmenge von Blutekeln. Nicht von der Haut abreißen, sondern mit Feuer oder Messer irritieren, dann fallen sie alleine ab. Als Bonus gibt es zu dieser Zeit die prächtigen Herbstfarben des Indian Summers.

Übernachtung:
Da man sich in einem Provinzpark befindet sollte man sich an die ausgewiesenen Übernachtungsplätze halten. Gekennzeichnet durch ein Rotes Schild mit einem schwarzen Zelt. Fast alle sind wunderschön gelegen. Alternativen einplanen falls einem Bärenspuren an dem geplanten Platz nicht geheuer sind. Bären Schwarzbären meiden gewöhnlich den Menschen, wenn sie Ihn sehen, riechen oder hören. Sollten man doch einmal auf einen Bären treffen, gilt es Ruhe zu bewahren. Nicht weglaufen. Groß erscheinen (Jacke öffnen, Paddel über den Kopf halten.) und wenn der Bär nicht verschwindet, langsam zurückziehen. ruhig mit dem Bären sprechen (vermeidet Verwechselungen mit Elchkälbern). Sollte ein Schwarzbär wiedererwarten angreifen, nicht tot stellen! , sondern mit allen mitteln wehren. Lärm, Bärenspray. Erfreulich: Die Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Bärenangriff soll unter der eines Blitzschlages liegen. Alles was riecht : Essen, Töpfe, Hygeneartikel, Müll, Bonbons aus der Jackentasche . gehört des Nachts in die Bäume. Wenigstens 4 Meter über den Erdboden und 2 m seitlich von den Bäumen weg. Das funktioniert am besten mit zwei 15 Meter langen Seilen, die jeweils mit einem Stein am Ende über einen 5 Meter hohen Ast geworfen werden. Diese Arbeit kann bei fehlenden guten Bäumen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und ist im Dunkeln besonders schwierig. Das heißt: Aktion am besten gleich bei Campaufbau starten! Tiere niemals Füttern. Fisch nicht am Ufer säubern sondern im Wasser. Reste nicht an Land werfen!

Anfahrt
Für einen Flug nach Toronto sind 300 bis 600 Euro einzuplanen. Mit dem Auto sind es ca. 6 - 7 Stunden Fahrt Richtung Sudbury und dann über Highway 144 Richtung Timmins. Vom Highway zweigt linkerhand eine kleine Forststraße ab, ausgeschlildert als:" Duke Lake Access Point". Greyhound Busse möglich aber mit viel Tragerei verbunden. Endpunkt: Es bietet sich die Agnew Lake Lodge am südlichen Ende des Agnew Lakes als Aussatzstelle an. Hier vermietet eine nette gerade aus Holland eingewanderte Familie ab etwa 60 Dollar eine Hütte. Wäsche Waschen und Telefonieren möglich. Ebenso ein Transport zur nächsten Busstation. Als alternativer Einsatzpunkt bietet sich Lake Biscotasi an. Der Westarm des Spanish River beginnt hier und hat mehr Wildwasser zu bieten als der Ostarm. Bei "the Forks" vereinigen sich beide Arme. Zugang Zug oder Straße. Der Damm am Lake Biscotasi beeinflusst den Wasserstand des Flusses.

Weitere Einsatzpunkte für eine allerdings erheblich kürzere Tour bieten der Bahnhof Sheahan oder "the Elbow" mit der Fox Lake Lodge (Logging Road). Für einen Notfall bieten sich hier zwei Ausstiegsmöglichkeiten.

Weitere Info: Der Spanish River wurde erst kürzlich zum Provinzpark erklärt. Verwaltet wird der Park noch über den Windy Lake Provincial Park 199 Larch Street, Sudbury Ontario P3E 5P9 (705) 966-2315 www.ontarioparks.com/english/windy.html Wetterbericht. Über. www.theweathernetwork.com kann man relativ gute Wettervorhersagen über die Region bekommen. Bus: www.greyhound.ca Tipps für Region: Verbinden lässt sich eine Tour auf dem Spanish wunderbar mit einem Besuch der zahlreichen Provinzparks in Ontario. In der Nähe befinden sich der Killarney und der Algonquin Provincial park.(www.algonquinpark.on.ca/) In beiden sind längere Kanutouren und Wanderungen möglich.


Führer/ Kartenmaterial
Paddler´s Guide to Ontario , Kevin Callan, The Adventure Map, Spanish River Provincial Park Chrismar Mapping Services www.chrismar.com isbn: 0-929140-74-5 Outfitter service: Mietausrüstung, Autoshuttle, geführte Touren, Übernachtungen bieten: Agnew Lake Lodge: Webbwood , Ontario P0P 2G0. Tel(705) 869-2239 www.agnewlakelodge.ca Fox Lake Lodge: Box 390 , Levack, Ontario P0M 2C0, Tel: (705) 965- 2701 www.spanishriveroutfitters.com Sundog Outfitters: Box 1014 , Dowling, Ontario P0M 1R0 , (705) 855-0042 www.sundogoutfitters.com