ALLY Faltkanadier Reisebericht - Im Kanu unterwegs auf dem Niger in Mali - Teil 1 - 2 - 3 - 4

 

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Teil 4

Eine Woche auf dem Niger flussaufwärts von Mopti nach Massina


Unsere ursprüngliche Absicht war es gewesen, den Niger auf der «Standardstrecke» zwischen Timbuktu, der legendären Stadt am Rande der Sahara, und Mopti, der Stadt im Zentrum des Binnendeltas, zu befahren. Die geringen Chancen, Timbuktu auf der über weite Strecken hinweg stark eingesandeten Piste mit unseren Fahrrädern überhaupt erreichen zu können, liess uns nach Alternativen Ausschau halten. Da wir noch einen Besuch in Gao in unsere Reiseplanung mit aufgenommen hatten, wurde auch die uns noch zur Verfügung stehende Zeit knapp. Wir fassten deshalb den Entschluss, in Mopti einzuwassern und stromaufwärts Richtung Ségou und Bamako zu fahren. Unsere Leistungsfähigkeit mit dem Velo konnten wir ziemlich genau einschätzen, wir würden deshalb die etwas mehr als 600 verbleibenden Kilometer bis Bamako locker in 5 Tagen schaffen. Da uns noch 10 Tage blieben, konnten wir mit etwa 6 bis 8 Tagen auf dem Wasser rechnen, je nachdem, welche Tagesleistung wir mit dem Kanu schaffen würden. Bis nach Diafarabé, wo wieder eine passable Piste nach Westen zur Verfügung stand, sollten wir es in der vorgegebenen Zeit auf jeden Fall schaffen, hoffentlich sogar bis auf die asphaltierte Strasse hinter Massina.

Vorratsbeschaffung in Sévaré und Mopti
Versorgungsmässig mussten wir damit rechnen, eine Woche unterwegs zu sein ohne je eine sichere Gelegenheit zu haben, unsere Vorräte an Nahrungsmitteln sinnvoll zu ergänzen. Konserven, Teigwaren und andere lang haltbaren Lebensmittel kauften wir noch im Super-Marché an der grossen Kreuzung in Sévaré und beschlossen, die frischen Sachen am nächsten Morgen kurz vor der Einwasserung in Mopti zu beschaffen. Die Stadt kannten wir ja bereits von unserem ersten Besuch vor ein paar Tagen und wussten um den reichlich dotierten Gemüse- und Früchtemarkt am Eingang zur Altstadt. Wir waren deshalb recht überrascht, an besagter Stelle nicht das geringste Angebot vorzufinden. Lag es daran, dass es noch früh am Morgen war, oder war beim Zeitpunkt unseres letzten Besuchs gerade Markttag? Wir wussten es nicht, mussten uns in der Folge aber auf die Suche nach Frischem machen. Wir kurvten durch die Quartiere der Stadt und nach und nach füllten sich auch unsere Vorratsäcke.


Zusammenbau des Kanus am Bani-Strand
In der Hafengegend von Mopti genossen wir an einem Strassenstand noch ein reichliches Frühstück, zogen es dann aber vor, noch ein wenig dem Bani entlang nach Norden in die Vorstadt vorzustossen. Auf dem breiten Sandstrand in der Gegend vor dem Hospital fanden wir eine geeignete Stelle mit genügend Freiraum, um unser Kanu in Ruhe zusammenbauen zu können. Klar, dass wir bald wieder von einer ansehnlichen Menschentraube umgeben waren, die jeden unserer Handgriffe minutiös registrierte. Wir hatten aber mehr als genügend Platz einberechnet und konnten ungehindert Zusammenbauen und das Gepäck gut organisieren. Die noch fehlenden zwei Kartons Toubabou-Wasser, die wir eigentlich erst am Schluss mit dem Anhänger herbei schaffen wollten, konnten wir bei einem anwesenden Händler bestellen und sie wurden auch bereits auf den Köpfen zweier Jugendlicher angeliefert. Wir waren bereit für unsere Nigerfahrt, aber noch nicht am Niger!


Zum Niger geht es da lang!
Die Stadt Mopti liegt am Bani, aber unweit von dessen Mündung, und wird vom Niger durch eine Sandbank getrennt, deren Grösse stark vom gemeinsamen Pegelstand im Binnendelta abhängig ist. Zur Zeit des herbstlichen Hochwassers hätten wir das Kanu nicht am Strand sondern lediglich oberhalb der viele Meter hohen Quaimauer aufbauen können, dafür hätten wir ungehinderten Zugang nach Westen zum Niger gehabt. Weil jetzt im Januar bereits Niedrigwasser herrschte, wandten wir uns geradewegs nach Norden, um den Lauf des Nigers zu erreichen, wurden aber umgehend in unserem Kurs durch kreuzende Pirogisten korrigiert, welche uns auf einen kleinen Durchlass durch die Sandbank hinwiesen: «prenez plutôt le canal» und ein unmissverständliches Handzeichen, welches uns in die richtige Richtung wies. Orientierung war somit vorerst einmal kein Problem.


Paddeln, Stacheln oder Segeln?
Während in einheimischen Kanu-Foren ernsthaft über die Frage diskutiert wird, ob es zulässig, schicklich, oder gar verboten sei, einen Kanadier anders als mit den Stechpaddeln vorwärts zu bewegen, werden solche Fragen in Mali eher pragmatisch angegangen und die jeweils beste Wahl getroffen. Die Fahrt stromaufwärts ist trotz des geringen Gefälles immer noch ein Unterfangen gegen die doch merkliche Strömung des Flusses. Mit dem klassischen Paddeln erreicht man lediglich eine Bewegung relativ zum strömenden Wasser, mit dem Stacheln hingegen wird eine relativ zum Grund erzielt. Bei einem Kraftaufwand, den wir als ähnlich eingeschätzten, waren uns die Stachler in unserer Fahrtrichtung meistens überlegen. Sie bewegten sich der Technik entsprechend entlang der Ufer und setzten ihre herzförmigen Paddel nur kurz bei Flussquerungen an den tiefen Stellen ein. Auf dem befahrenen Flussabschnitt wehen die Passatwinde relativ konstant aus Nordost, was für die flussaufwärts Fahrenden Rückenwind bedeutet. Wer deshalb längere Strecken hinter sich bringen will, setzt zumindest ein relativ einfaches Rechtecksegel, welches oft aus ausgedienten Getreidesäcken zusammen gestückelt wird. Mit einer solchen Ausrüstung konnte ohne Einsatz in etwa unsere Geschwindigkeit erreicht werden, meistens wurde aber gleichzeitig gestachelt.
Wer plant, längere Strecken auf dem Niger im Bereich des Binnendeltas zurück zu legen, dem sei hier ausdrücklich geraten zu prüfen, ob er sich zumindest teilweise vom klassischen Stil verabschieden will und die Möglichkeit vorsehen will, sein Boot andersweitig fort zu bewegen. Dabei sollten auch die Fragen berücksichtigt werden, ob man i) zum Stacheln genügend Balance hat, um nicht des Öftern Baden zu gehen, und ii) beim Segeln die Gefahr eines Kenterns durch Überschlag genügend gering ist. Erfahrung könnte wahrscheinlich, wie immer, recht hilfreich sein! Wir hatten weder das entsprechende Material noch den Mut, um die neuen Methoden zu testen.


Wie kommen wir auf dem Fluss voran?
«Wenn das Wörtchen WENN nicht wäre ... » heisst es doch so schön, dann könnten wir in der uns verbliebenen Zeit von 10 Tagen noch fast die ganze Strecke von Mopti bis Bamako auf dem Niger schaffen!
Die beim Fahrradfahren zurückgelegten Tages- und Gesamt- Strecken können jeweils ziemlich genau dokumentiert werden, lassen diese sich doch über die Anzahl erfolgter Radumdrehungen feststellen. Jeder noch so kleine Schwenker oder Umweg ist automatisch mitgezählt. Doch wie soll auf einer Kanutour verfahren werden, wenn man die zurückgelegte Distanz wissen will? Bei uns sind zumindest die schiffbaren und dementsprechend verbauten Flüsse genaustens kilometriert; so liegen beispielsweise genau 688.5 offizielle Flusskilometer zwischen der alten Rheinbrücke in Konstanz und dem Kölner Dom. Gleiches ist natürlich für den Niger schwerlich möglich, welcher mit jeder Regenzeit seinen Lauf ändern kann und der je nach Pegelstand zu kleineren oder grösseren Umwegen zwingt. Wir haben jeweils beim Rasten mittels GPS eine punktuelle Positionsmessung durchgeführt und die nachfolgend aufgeführten Tagesleistungen ergaben sich aus jeweils weniger als einem halben Dutzend solcher Punkte. Es versteht sich von selbst, dass die effektiv zurückgelegte Distanz grösser ist, werden die Mäander um die vielen Sandbänke in dieser Weise stark ausgemittelt. Trotzdem muss festgestellt werden, dass wir deutlich unter unserem üblichen Rendement blieben; die Strömung und auch der Wind, welcher zu ständiger Kurskorrektur zwang, forderten unsere Kräfte.


Von Einsamkeit keine Spur

In der geschäftigen Stadt Mopti hatten wir die letzten Autos und Lastwagen hinter uns gelassen und tauchten in die neue Welt des Nigers ein und sahen und hörten tagelang kein solches Fahrzeug mehr. Man könnte nun der irrigen Schlussfolgerung anheim fallen, dass wir uns in grosser Einsamkeit auf dem Strom bewegten. Dies war aber in keiner Weise der Fall, der Niger ist eine Verkehrs- und Lebensader par exellence, das Binnendelta ist stark besiedelt, obschon Karten keine oder nur wenige Ortschaften verzeichnen. Es war deshalb auch keineswegs erstaunlich, dass reger Bootsverkehr herrschte, überall Fischer ihre Netze auslegten und ein Dorf dem nächsten wich. Legten wir für eine Pause oder für die Nacht auf einer scheinbar einsamen Sandbank in mitten des Flusses an, dauerte es jeweils nicht lange und wir waren von einer Traube aus Menschen jeden Alters umringt. Alle waren neugierig, die Toubabous und ihre höchstes Interesse erweckenden Ausrüstungsgegenstände zu besichtigen.
Das Aufstellen des Zeltes am Abend fand meist unter den Augen Dutzender Schaulustiger statt, die weiter entzückt dem Starten des Brenners und dem Kochen zuschauten. Erst mit dem Einsetzen der Dunkelheit, in Afrika immer noch ein guter Grund dem heimischen Herd zuzustreben, zog sich das einheimische Publikum zurück.


«Sur le banc de sable, on y danse, on y danse ... »
Bei einer Mittagsrast auf einer der typischen Sandbänke bekamen wir Besuch von einer Gruppe Mädchen der Altersstufe «Beginnende Pubertät». Für einmal zeigte sich diese Schar gar nicht photoscheu und liess sich gerne photographieren. Sie begannen dann einen verführerischen Tanz voller erotischer Ausdruckskraft. Von wegen sexualfeindliche islamische Kultur! Aber wahrscheinlich müssen wir hier besser von afrikanischer Bozo-Kultur sprechen.


Die «Boulangerie von Massina»
In der Kreisstädtchen Massina legten wir an, um unsere Vorräte zu ergänzen, die langsam zu Ende gingen. Sandra machte sich auf den Weg vom Hafen ins Städtchen und erstand auch ein paar Lebensmittel. Brot wäre noch eine schöne Ergänzung des Angebotes gewesen, liess sich aber nicht so einfach finden. Ihre Frage nach der Boulangerie wurde mit einem Ausbruch von Lachen quittiert, als hätte sie nach etwas Unanständigem gefragt, wie etwa dem lokalen Puff.


«Fährverkehr», oder wie die Viehhabe aufs andere Ufer?
In den grösseren Orten am Niger wie Diafarabé oder Massina stehen reguläre kleine Fähren in den Häfen, die zum Übersetzen von Waren und Habe benützt werden können. Der Grossteil an Transportkapazität auf dem Strom steht jedoch in der Form von Pirogen zur Verfügung. Mit ihnen wird alles transportiert, das nicht selber über den Niger schwimmen kann und wir wollen hier jetzt nur von Eseln und Schafen sprechen.
Einzelne oder Paare von Eseln, selten etwas grössere Gruppen, sieht man bootmittig und quer zur Fahrtrichtung stehend verladen. Mit den Köpfen und Hinterteilen über die Bootsränder hinausragend scheinen sie die schaukelnden Überfahrten in stoischer Ruhe zu ertragen. Nur keine unverhätnismässigen Emotionen zeigen, dies wäre wohl unter der Würde eines richtigen Esels.
Anders geht es beim Schaftransport zu und her. Hier herrscht weder eine definierte Verladeordnung noch stoische Ruhe. Diese Tierchen scheinen Transportängste zu haben und gehen selten freiwillig an Bord. In Gruppen stehen sie im seichten Wasser zum Verladen zusammengetrieben, versuchen diesem Schicksal jedoch durch Ausbüchsen entgehen zu wollen. Die Hirten kennen jedoch keine Gnade und packen sie wie es gerade kommt und schleifen sie zu den wartenden Pirogen, um sie schliesslich an Bord zu werfen. Am andern Ufer dann gleiches Verfahren aber in umgekehrter Weise: die Schafe werden in Ufernähe aus den Booten ins Wasser gehievt und entfliehen sofort auf die rettende Sandbank.


Übersetzen von Zebu-Herden auf dem Niger
Im November Dezember wird Diafarabé zum Schauplatz eines gewiss spektakulären Schauspiels. Nördlich des Nigers trocknen zu dieser Zeit die Weiden langsam aus und die grossen Zebuherden werden von den halbnomadischen Peul auf die noch grünen Landstriche im Süden des Nigers gebracht. Die Zebus werden dabei nicht etwa über den Strom transportiert, sondern queren ihn als gute Schwimmer aus eigenem Antrieb. In seinem tollen Bildband «Afrika» führt Olivier Föllmi die guten Schwimmfähigkeiten dieser Rinder auf die grossen Hörner zurück, die als Schwimmkörper wirken würden. Dies ist natürlich Unsinn, oder hat er sie etwa Kopf unter schwimmen sehen?
Obschon wir ausserhalb der eigentlich in Frage kommenden Zeit auf diesem Flussabschnitt unterwegs waren, kamen wir im Kleinen trotzdem in den Genuss eines solchen Schauspiels. Begleitet von Hirten, die in einer Piroge übersetzten, schwamm die Leitkuh über den Fluss und die restlichen Mitglieder der Herde folgten ihr geordnet in Einerkolonne.




Über die Autoren dieses Berichtes
Sandra Loss stammt ursprünglich aus dem Rheinland, ist in Süddeutschland aufgewachsen und lebt seit mehr als einem Jahrzehnt in der Schweiz. Unter allen Reisearten schätzt sie das Wanderreiten am meisten und hat bereits grosse Teile Westeuropas vom Pferderücken aus kennengelernt. Für tolle Touren auf andern Kontinenten ist sie aber auch nicht abgeneigt, zur Abwechslung mal den Drahtesel zu satteln.
Heinz Rüegger stammt aus dem zentralen Schweizer Mittelland und bereist nahe und ferne Länder seit seiner frühen Jugend am liebsten mit dem Velo. Dabei zeigt er eine Vorliebe für die grossen Gebirge dieser Erde und berichtet gerne über seine Touren unter seinem arabischen Pseudonym AlMusafir.
Zusammen haben die Beiden schon viele Wander-, Ski- und Fahrradtouren unternommen und entdeckten im letzten Jahr, dass Kanufahren neue Dimensionen in ihre Reisemöglichkeiten bringen könnte. Sie schätzen dabei sehr, dass Flusslandschaften oft einen wesentlich «wilderen» Charakter aufweisen als das sie umgebende Umland.

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Winkende Kinderschar bei einem Fischerdorf



Unser Ally-Kanu auf einer Sandbank 7.5 km von Mopti



Fischerpirogen werden der Sandbank entlang gestakst



Banko-Moschee im typischen Stil des Binnendeltas


Unterspülter Baum


Im Kanu unterwegs



Zur Mittagsrast auf einer Sandbank angelegt

 



Beladen einer Piroge mit Schafen zum Übersetzen



Frühstücksplatz auf einsamem Sandstrand


Im Kanu auf dem Niger

Wassermelonen-Essen





Besucherinnen und Pirogenverkehr am Rastplatz



Kleiner Pirogenhafen bei einer Sandbank im Niger



Dorfleben am Strom zw. Diafarabé und Massina



Blaue Motorfähre und Eselspiroge in Massina



Abladen von Reissäcken vom Pferdewagen in Massina





Pirogen unter Segel auf dem Niger westl. von Massina